|
Vor ein paar Wochen bekam ich aus Heidelberg das Tondokument der neuesten Bemühungen aus dem Hause Geweih. Nach
sechs Jahren und zwei Demos die erste "richtige" Veröffentlichung, stellt diese Gemeinschaftsproduktion mit
Nachtmahr eindrucksvoll unter Beweis, dass Geweih mehr als reif sind für einen Plattenvertrag.
Nur ein neues Stück präsentieren die Kampftrinker aus Baden, aber dieses ist erstens mehr als neun Minuten lang
und hat es zweitens mächtig in sich. Das letzte Demo hatte ja durchaus seine Momente, aber eine derartige
Steigerung hätte ich den Jungs nie und nimmer zugetraut. Hier wird melodischer BM im besten Sinne des Wortes
zelebriert, d.h. alle neumodernen Assoziationen zum Thema "Melodic BM" sind völlig fehl am Platze. (Einschub des
Autors: Es ist wirklich ein Elend, dass heutzutage einige Worte derart diskreditiert sind, dass sie ohne
ausschweifende und stillose Erläuterungen völlig falsche Inhalte wiedergeben könnten.)
Geweih haben für die Aufnahmen erstmals einen Stöckeschwinger aus Fleisch und Blut zur Verfügung gehabt und das
hat dem Gesamtergebnis hörbar gut getan. In Sachen "technische Daten" ist auch noch zu vermelden, dass die
Produktion wirklich äusserst gelungen ist. Alle Instrumente sind differenziert wahrzunehmen, kein Detail geht
verloren, trotzdem tönt das Resultat nicht gar zu samtig durch den Gehörgang. Und dieses Resultat ist auch
kompositorisch über jeden Zweifel erhaben. Mit dominanten Keyboards habe ich ja schon manchmal meine
Probleme, aber Geweih haben das Kunststück fertig gebracht, eine Menge Tastenzauber auch für mich bekömmlich zu machen. Das
liegt zum einen daran, dass die Gitarren nie untergebuttert werden. Ausserdem sorgt der Schlagzeuger mit seinen
Becken für den nötigen Klirrfaktor. Und was am wichtigsten ist: hier werden ein paar wirklich geniale Melodien
zum Besten gegeben, mal heroisch, mal melancholisch, gelegentlich entfernt an Summoning erinnernd, stellenweise
eine alptraumhafte Atmosphäre erzeugend. Keine Frage, Locke versteht was von seinem Instrument. Doch der Rest der
Band muss sich da gar nicht verstecken: die Gitarren liefern wunderbar surrende Riffs, sogar der Bass tritt
gelegentlich mit einer hintergründigen Melodie in Erscheinung. Ganz besonders muss man aber den Mann am Mikrofon
hervorheben, der mit einer unglaublich kraftvollen Kreischdarbietung mehr als nur überzeugt. "Irrlicht" ist nicht
derart lang, weil das gleiche Thema wieder und wieder runtergeleiert wird, nein, wir haben es hier mit einer
richtigen kleinen Sinfonie zu tun. Wiederholt wird eigentlich überhaupt nichts, das Stück entwickelt sich
fortwährend, die Atmosphäre wechselt von majestätisch zu melancholisch zu aggressiv, und am Ende explodiert alles
in einem endlos geilen, schnellen BM-Part, der auch auf der Emperor-MCD nicht negativ aufgefallen wäre. Wahnsinn!
Achso, ein Burzumcover haben Geweih auch noch eingespielt. Recht gelungen, wie ich finde.
Auf Nachtmahr war ich ziemlich gespannt, da mir in der Vergangenheit einige ihrer Stücke sehr gefallen haben. Der
erste Song donnert dann auch ganz ordentlich aus den Lautsprechern. Schneller und räudiger als zuvor präsentieren
sich Nachtmahr hier, und ich muss sagen, dass mir das sehr gefällt. Dezente Keyboardtupfer und derbes Gekrächze
runden einen gelungenen Auftakt ab. Song Nummer zwei hat zwar theoretisch das gleiche Potential, wird aber durch
den Schlagzeugsound völlig ruiniert. Die Bassdrum klingt, als ob eine Herde Elefanten durch das Zimmer trampelt.
Ich frage mich ernsthaft, warum die Band diesen Unfall auf Platte gepresst hat. Denn im Endeffekt bleibt trotz
des guten ersten Songs ein Beigeschmack von Schlamperei beziehungsweise Gleichgültigkeit. Zum Abschluss wird noch
eine Coverversion von Geweih serviert. Die ist zwar ganz in Ordnung, kann aber den ernsthaft beschädigten
Gesamteindruck auch nicht wieder reparieren. |
|