NASHEIM

Solens Vemod (CD/LP 2014)


Vermeintliches Gründungsjahr 2001 und erst jetzt im Jahre 2014 das Debütalbum? Nun, das mag auf den ersten Blick von einer gewissen Unentschlossenheit bezüglich des musikalischen Schaffens zeugen. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich das jedoch als Trugschluss, denn erstens gelang es Nasheim immerhin mit diversen Demos und Split-Veröffentlichungen bereits von sich reden zu machen. Und zweitens: Das, was Alleinunterhalter Erik Grahn hier über die volle Länge abgeliefert hat, ist ja gewiss vieles - aber sicherlich nicht unentschlossen. Vielmehr ist "Solens Vemod" ein Werk, das zu jeder Sekunde weiß, was es sein will und sich dabei mit einer bewundernswerten Beständigkeit verwirklicht.
"En nyckel till drömmars grind" gibt dabei ohne viel Federlesens die Marschrichtung vor, der das gesamte Album folgt. Als unverkennbare Handschrift lässt sich dabei ausmachen, dass sich Nasheim die Zeit nehmen, die melancholischen Melodien und Riffs auszukosten und in atemberaubende Höhen zu schrauben. Das Anfangsriff von "En nyckel till drömmars grind" schafft es so tatsächlich, sich geschlagene sieben Minuten in der Plattenspur zu halten - da könnte verständlicherweise bei dem oder anderen das "Langweilig!"-Warnlämpchen im Oberstübchen energisch aufblinken. Die Kunst, derer sich hier bedient wird, ist jedoch die, dass die Riffs aufgrund ihrer verträumten Monotonie eine ausgesprochen ansehnliche Halbwertszeit besitzen sowie, dass das entsprechende Grundriff immer wieder mit weiteren eindrucksvollen Arrangements verziert wird. "Solens Vemod" ist dabei keine Scheibe, die einem ihre besten Momente mit Gewalt um die Ohren haut, sondern stattdessen trotz relativ geradliniger Kompositionen immer wieder wunderbar subtile Noten einwebt, welche dem Liedgut eine angenehme Tiefe verleihen. Aber keine Frage: Packende Höhepunkte finden sich hier noch und nöcher. Da wäre beispielsweise das ergreifende Finale des erwähnten Auftaktliedes zu nennen, welches nach bekannter Rezeptur über mehrere Minuten auf Basis derselben von Resignation gezeichneten Grundmelodie immer mehr Gitarrenspuren übereinander legt, bis am Ende ein reißender Strom aus sechs (!) Riffs dem Stück den letzten Lebenshauch entreißt.
Manch einer mag es vielleicht schon bemerkt haben: Wirklich fröhlich geht es auf "Solens Vemod" in der Tat nicht zu. Und daran maßgeblich beteiligt ist auch die stimmliche Darbietung, die mit imposanter Eindringlichkeit die gesamte Palette menschlicher Pein durchs Reibeisen jagt. Von entbranntem Zorn bis hin zu schierer Verzweiflung ist hier alles zu finden - und das wichtigste: Es klingt ehrlich. Der Schmerz, der sich im zweiten Drittel von "Jag fyller min bägare med tomhet" über den Hörer ergießt, ist jedenfalls derart greifbar, dass die Beklommenheit kaum mehr weichen mag. "Solens Vemod" ist indes sowohl innerhalb der einzelnen Lieder als auch in seiner Gesamtheit geprägt vom Wechsel zwischen erdrückender Niedergeschlagenheit und einem immer wiederkehrenden verzweifelten Aufbäumen.
Und es spricht wahrlich für die Qualität dieser Platte, dass man derartig viel Lobendes über sie schreiben kann, ohne das zu erwähnen, was auf Platz drei der Titelliste wartet. Denn dort findet sich in meinen Augen nichts anderes als eines der besten Black-Metal-Lieder der letzten Jahre. "Att av ödets trådar väva sorg" bringt dabei nochmals alles exakt auf den Punkt, was "Solens Vemod" auszeichnet: Die großartigen Melodien, die sorgsame Ausarbeitung derselben sowie eine unfassbare Dynamik, die vom ersten bis zum letzten Moment mitreißt und den Hörer in einen Sog aus ergriffener Andächtigkeit und tiefschwarzer Schwermut wirft. Und wo "Att äv ödets trådar väva sorg" metaphorisch das letzte Ankämpfen darstellt, folgt mit dem eher ruhige Töne anschlagenden "Vördnad" das endgültige Ergeben in die Hoffnungslosigkeit.
Was nach dem Hören von "Solens Vemod" bleibt, ist die Gewissheit, es hier mit einem absolut außerordentlichen Opus zu tun zu haben, das atmosphärisch und melancholisch bis unter die letzte Plattenrille ist. Die Stilmittel, derer sich Nasheim bedienen, sind nicht immer die kompliziertesten - aber sie werden hier mit einer Effizienz und Präzision eingesetzt, vor der man einfach nur den Hut ziehen kann. Und genau aus diesem Grund wage ich auch jetzt schon zu behaupten, dass Nasheim hier eines der herausragenden Black-Metal-Alben dieses Jahres gelungen ist.

9.5 /10

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Northern Silence

 

Nachtwall
24.04.2014