DARK FORTRESS

Séance (CD 2006)


Verursachten Dark Fortress noch vor zwei Jahren tiefe Stichwunden ("Stab Wounds") und verbreiteten eine absolut lebensverneinende Stimmung, beschäftigt sich die sechsköpfige Mannschaft heute mit Nahtod-Erfahrungen und dem Leben nach der irdischen Existenz - ein Themenbereich, dessen inspirative Kraft schon so manch andere Kapelle beflügelt hat. Im Prinzip handelt es sich also bei "Séance" um eine Abhandlung des schwer fassbaren Elements des Nichtseins inklusive diverser Abstufungen wie kranke Auswüchse des menschlichen Geistes. Passionierte Philosophen werden an diesem Werk sicherlich ihre Freude haben, soviel sei zu Anfang schon mal gesagt. Doch wie glaubwürdig verarbeitet das Sextett solch schwer verdaubare Lyrik?
Expressionistische Grenzen gibt es hier nicht, der selbstauferlegten Askese im Verarbeiten von Emotionen hat die Band schon längst abgeschworen. Gut so, sonst wäre nie ein derart intensives Hörspiel wie "Incide" zustande gekommen, das anfangs angesichts seiner extremen Stimmungswandel abschreckt, mit der Zeit jedoch zu einem unverzichtbaren, weil gefühlsmäßig sehr aussagekräftigen Standbein heranwächst. Was mit den ersten vier nahtlos ineinander fließenden Stücken beginnt, ist eine sehr dunkle Vorstellung vom körperlosen, schemenhaften Wahrnehmen nach dem physischen Tod: Als Fundament dienen atmosphärische, höhenlastige Gitarrenwände, die vom ausgesprochen druckvoll gespielten Schlagzeug zu jedem Zeitpunkt unterstützt werden, egal ob nun das Geschehen schnell oder schleichend vorangetrieben wird. Während der Tieftöner genretypisch nur sporadisch zum Vorschein kommt, kann man den vielfältig agierenden Vokalisten kaum überhören; des öfteren kommen Verbeugungen in Richtung Attila Csihar oder Shagrath vor, welche jedoch den eigenständig klingenden Einsatz keineswegs "begraben".
Im großen Maße unterstützend sind aber vor allem die synthetischen Landschaften, die weder Karies noch Kopfschmerzen hervorrufen, sondern den morbiden Grundzug der Platte dick unterstreichen. Was hingegen sehr wohl für Migräne sorgen kann, ist der im Vergleich zum Vorgänger unvergleichbar komplexere Aufbau des Liedguts, dessen Logik - im Sinne des Erfinders - nur stückchenweise preisgegeben wird. Dabei variiert die Vorgehensweise von Song zu Song - mal dominieren bedrohliche Schleichaktionen, die von Double-Bass-Attacken abgelöst werden, manchmal bestimmen rhythmisch exzellent ausgearbeitete Abschnitte (zum Beispiel das Ende von "Poltergeist") den Ablauf. Blinde Wut in Form von kontrolliertem Rasen passiert hier äußerst selten, was aufgrund der zeitweilig apokalyptischen Texte ziemlich schade ist, da das deutsche Kommando auch im Hochgeschwindigkeitsbereich interessante Ideen hat.
Aber in Zeiten des Höher-Schneller-Technischer-Wahns stellen Dark Fortress eine Art Gegenpol zum bisher Dagewesenen dar. Gute, langlebige Musik der extremeren Sorte wird hier geboten, deren Ablaufdatum vielleicht nicht errechenbar ist und zumindest eines feststellt: Das Leben selbst bietet weit weniger Denkanstöße als der Tod und das unbekannte Kontinuum danach.

8.5 /10

Official Website

Century Media

 

Amicus
06.03.2006


Redaktionsbewertung:
sic 8.5 Amicus 8.5
Wolfsgrimm 8 Sir ChristCrusher 7
Frostkrieg 6 Herr B. 7
Gesamtdurchschnitt: 7.5