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Hippokrates, ein angesehener Arzt in der griechischen Antike, beschrieb in seiner Viersäftelehre die Melancholie
als einen Überschuss an schwarzer Galle, die sich ins Blut ergießt. Bis ins siebzehnte Jahrhundert sollte diese
Erklärung den Ursprung des gedrückten Allgemeinzustands erklären. Als der englische Forscher William Harvey den
Blutkreislauf entdeckte und damit den Begriff aus der medizinischen Lehre verbannte, stürzten sich Psychologen wie
Sigmund Freud, der in einem seiner Aufsätze die melancholische Gefühlslage deutlich von der Trauer, die
schwerwiegender sei, abgrenzt, auf's schwermütige Element. Der griechische Begriff wurde im Laufe der Zeit durch
den Begriff der Depression ersetzt.
Aber eben jene Bezeichnung ist zu schwer für ein Album wie "The Ancient Returns", das laut Alleinunterhalter in
einem Zeitraum von über einer Dekade entstand. Nun neigen solche Aussagen dazu, in mir einen überschwenglichen
Optimismus hervorzurufen, schließlich lassen ja Over-The-Top-Interpreten wie Lunar Aurora ihre Werke gerne mal ein
paar Jährchen im Schrank vermodern, von Sólstafir, die ungefähr die gleiche Taktik wie Macabre Omen im Auge haben,
ganz zu schweigen. Die richtig guten Weine sind eben mehrere Jahrzehnte alt, genauso verhält es sich mit Platten.
Doch hat uns die Vergangenheit gelehrt, dass momentan Griechenland die perfekt vertonte Wehmut gepachtet hat, ich
erinnere nur allzu gerne an Nocternitys Jahrhundertmonstrum "Onyx". Das vorliegende Projekt hat ein Werk geschaffen,
das erwähntem Opus mindestens auf gleicher Ebene wie sein schärfster "Konkurrent" begegnet.
Erster wichtiger Aspekt, der sofort ins Ohr fällt, ist der optimale, weil einerseits raue, aber andererseits nicht
rauschende Klang des Albums, der einen unmittelbar nach Drücken der Play-Taste ins Reich von "The One" und dazu
einlädt, mal einfach nur die Klappe zu halten, um dem getragenen Geschehen dadurch einen gewissen Respekt zu zollen.
Dass sich dieses Vorhaben lohnt, beweisen die exzellent ausgearbeiteten, wehmütigen Melodien, jedes Stück ist voll
davon und trotzdem schafft es der selbsterklärte Auserwählte, keine Langeweile zu erzeugen. Ab und an frönt man
stürmischen Anfängen, aber alles mündet letzten Endes im Strom der unendlichen Wehmut. Langsamst ergießt sich der
heißkalte, trübselige Schwall über den Nacken und fließt ungefiltert in das blutjung geglaubte Trommelfell... bis
das (nicht ersehnte) Fade-Out den Hörer auf das nächste Kapitel vorbereitet. Eine schwermütige Nummer löst die
andere ab und dann kommt "Hellas", Griechenlands schwarzmetallische Nationalhymne für alle Zeiten. Mehr als elf
Minuten lang gibt es kitschlosen Pathos, gefüllt mit Stolz über die Errungenschaften der glorreichen Vorfahren
sowie dieser schwachen Trauer, die dem Debüt den Stempel aufdrückt wie kein zweites Merkmal hier. Epische Blicke in
die Vergangenheit sind halt die schönsten, besonders, wenn sie wie "Hellas" klingen - eine textarme, zum Ende hin
basstrommelwütige Huldigung par excellence. Allerspätestens das letzte Stück räumt den so gut wie gar nicht mehr
vorhandenen Zweifel, dies könnte eventuell doch kein Meisterwerk sein, aus der Welt.
Ihr wolltet schon immer einen Beweis für das allgemeine Klischee des melancholischen Genies? Dann seid ihr soeben
auf pures Gold gestoßen. Herzlichen Glückwunsch. |
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