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Immer weiter entfernt sich der dumpfe Schlag der Glocken, als ich die Augen öffne. Orientierungslos blicke ich
umher und versuche zu sehen, wo ich bin. Schwärze, nichts als Schwärze vor meinen Augen und die Luft ist stickig.
Bewegungen sind kaum möglich und so langsam kraucht die Panik in mir hoch. Plötzlich höre ich dumpfes Pochen und
eine Stimme, die in weiter Ferne spricht. Der Priester spricht seine letzten Worte, während die Erde den Sarg
bereits beinahe komplett bedeckt.
Szenenwechsel:
Es ist ein grauer Tag im frühen Januar, als ich ein Päckchen mit zittrigen Händen aus dem Briefkasten ziehe. Es
ist die neue Lunar Aurora! Auf schnellstem Wege begebe ich mich in meine Wohnung, schließe ab und verdunkle die
Fenster. Eilig schiebe ich die CD in den Schacht und lege mich auf mein Bett! Es wird Zeit. Zeit für die Andacht!
Was diese beiden Geschichten miteinander zu tun haben? Besorgt euch das neue Lunar Aurora Album und ihr wisst es.
Denn kaum war die erste Einleitung des Openers "Glück" vorbei, breitete die Musik sich wie dicker Nebel in meiner
Wohnung aus. Diese Dichte der Musik war es, die mir scheinbar den Atem nahm und sich wie eine schwere Last auf das
Gemüt legte. Und bereits dann war klar, der Titel zum neuen Album hätte nicht besser gewählt werden können.
Das Album vermittelt, zumindest mir, den Eindruck, als würden die Bayern hier eine kleine Zeitreise machen.
Begonnen mit den fiesen, aber verhältnismäßig leisen Keyboardklängen von "Seelenfeuer", über die
flüsternd-zerbrechlichen Sprechpassagen von "Ars Moriendi" bis hin zu den treibenden und dennoch chaotisch
erscheinenden Gitarrenläufen von "Elixir Of Sorrow" - kurz gesagt: einfach alles, was ich je an Lunar Aurora
gemocht und geschätzt habe, findet sich in einem Album wieder. Und dennoch tut man dem Album damit Unrecht, denn
trotz all der eben genannten Merkmale ist "Andacht" keineswegs ein Aufguss alter Tage. "Dunkler Mann"
beispielsweise ist mit seinem beinahe schon modern klingenden Riffing so ein Fall, denn bereits nach der Einleitung
springt mir ein sehr zeitgenössisches "Satyricon"-Riff entgegen, was allerdings, unterstützt durch die rollende
Bassdrum, einfach perfekt in die musikalische Szenerie passt. Ständig hat man das Gefühl, man wäre auf einer Reise
durch verschiedene Gemütszustände, von Trauer zu Hass, von Melancholie zurück zu Sehnsucht, man durchlebt diese
Phasen in jeder Sekunde der Platte und zwar in einem solch schnellen Tempo, dass man zum Ende gar nicht mehr weiß,
wo oben und unten ist.
Doch will ich versuchen, das Album einmal in ein paar nüchternen Fakten wiederzugeben, auch wenn es mir, bei der
Magie desselbigen, schwerfällt. Erstes verwunderliches Merkmal ist, dass Lunar Aurora auf "Andacht" auf einen
Drumcomputer zurückgreifen. Ließe mich solch eine Information sonst meist zurückschrecken, so fällt diese Tatsache
auf dieser Scheibe nur bei sehr genauem Hinhören auf, wenn überhaupt. Die Lieder an sich werden immer durch kurze
Zwischenspiele miteinander verbunden, so dass sich die Platte als eine Art 'Großes Ganzes' präsentiert, knapp 49
Minuten am Stück. Da auf der Platte nur sechs Stücke vertreten sind, sollte somit auch klar sein, dass sämtliche
Stücke die Fünf-Minuten-Grenze sprengen, teilweise auch über die zehn Minuten hinaus gehen! Der Sound ist sauber,
aber nicht unbedingt clean, einfach so, wie man sich ihn von einem guten Black-Metal-Album wünscht.
Plötzlich ertönen die Klänge von "Das Ende" und ich falle wieder ins Schwärmen zurück, denn die Lieder dieser
Platte zu beschreiben, ohne dabei euphorisch zu werden, ist einfach nicht möglich. Allein diese Vernetzung der
Keypassagen - die teilweise allein schon ein gutes Gehör brauchen, um sie in voller Pracht wahrzunehmen - zusammen
mit den Klampfen, die so richtig schön rollen, ist einfach nur klasse und dürfte sicherlich nicht nur bei mir für
Gänsehaut sorgen. Hinzu kommen die verschiedenen Gesangspassagen, von Kreischen, über Flüstern bis hin zu Klängen,
die dem Gesang Gregorianischer Mönche nicht unähnlich sind ("Der Pakt"). Stimmlich wird alles ausgereizt, was die
Stimmbänder zu bieten haben und das in einer herrlich spontan und natürlich klingenden Art und Weise. Und auch
wenn jetzt einige Liedtitel gefallen sind, so ist "Andacht" dennoch ein Album, das man meiner Meinung nach nicht
zerpflücken, geschweige denn Note für Note analysieren, sondern einfach am Stück genießen sollte! Immer und immer
wieder!
Viel wurde diskutiert, ob die Band nun noch Black Metal spielt, überhaupt Black Metal sei, doch ganz ehrlich: Wen
kümmert das? Das Album ist fantastisch, da spielt die Genrebezeichnung absolut keine Rolle. Dieses Album ist ein
Meisterwerk für sich, da braucht man auf solch einen Kleinkram keine Rücksicht zu nehmen! Und so pathetisch es
nun zum Abschluss klingt: Kaufen! Licht aus! Genießen! Auf das Ende! |
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