VOM FETISCH DER UNBEIRRHEIT

Psychohygiene (2CD 2010)


Vom Fetisch der Unbeirrheit - klingt irgendwie nach einem schlechten SM-Porno? Mag sein, ist aber tatsächlich ein als unkonventionell und verstörend zu bezeichnendes Projekt zweier Herrschaften, die nun ihren ersten Auswurf namens "Psychohygiene" unters Volk bringen. Und der äußerliche Eindruck ist schon mal nicht von schlechten Eltern: In einem A5-Digibook mit umfangreichem Booklet und sämtlichen Texten sowie einer mehr als ansehlichen und stimmigen Aufmachung warten ganze zwei CDs, was "Psychohygiene" zu einem Doppelalbum im klassischen Sinne macht. Das hat auch seinen guten Grund, denn V.F.d.U. besitzen zwei Gesichter, die konsequenterweise auch physisch getrennt wurden. Auf der einen Seite hätten wir da eine psychedelisch angehauchte und etwas alternative Black-Metal-Spielart - auf der anderen Seite verbergen sich eine Reihe Dark-Ambient-Stücke, die das Gesamtkonzept der Platte abrunden sollen.
Womit wir auch schon bei einem zentralen Motiv wären: Hinter "Psychohygiene" verbirgt sich nämlich ein psychologisch interessantes und durchdachtes Konzept, das sich in den Texten in all seinen beklemmenden Facetten widerspiegelt. Versehen mit einer ordentlichen Portion Bethlehem'scher Groteske brechen die Lyrics immer wieder aus den insgesamt recht instrumental gehaltenen Stücken hervor - mit dem kleinen Unterschied, dass die Vortragsweise des Sängers nicht so ganz an die früheren Bethlehem-Werke herankommt. Zwar ist der brodelnde Wahnsinn der niedergeschriebenen Worte auch in der stimmlichen Darbietung wiederzufinden - jedoch fehlt das letzte Quentchen an psychotischem Irrsinn, das dem ganzen die Krone aufgesetzt hätte. Sowie rein technisch gesehen die Vocals etwas zu leise abgemischt sind und desöfteren mal dezent untergehen.
Von einem "Hörvergnügen" kann man bei diesem geistesgestörten Gepolter sowieso nicht sprechen - was aus den Lautsprechern schallt, ist vielmehr eine kranke und widerwärtige Komposition, die sich ins Ohr quält und in ihrer Morbidität eine Faszination entfaltet, die auch über einige weniger gelungene Abschnitte hinwegsehen lässt. Und wie ein schleichendes Gift entfaltet sich eine am Gemüt nagende Wirkung, der sich auszusetzen man bereit sein muss. "Psychohygiene" ist definitiv kein Werk, das man mal eben so nebenbei als Feierabend-Black-Metal hört, sondern eines, welches in entsprechendem Ambiente erfahren werden muss - und zwar am besten mit den Texten zur Hand. Mal episch, mal auf eine kranke Art und Weise groovend treiben V.F.d.U jegliches positive Gedankengut aus dem Kopf des Hörers und sorgen für eine finstere Sterilität im dreckigen Delirium der negativen Sinneseindrücke.
Makellos ist jedoch auch "Psychohygiene" nicht - manchen der ruhigeren Ambient-Parts auf der ersten Scheibe geht schnell die Puste aus. Ein Phänomen, das sich bisweilen auch in den metallischen Abschnitten breitmacht. Weniger wäre auch hier mal wieder mehr gewesen und hätte den Stücken etwas mehr Würze verliehen und damit zugleich die wahnhafte Stimmung konstanter aufrechterhalten.
So weit, so gut - ich weiß, eigentlich müssten ja jetzt noch ein paar Takte zur zweiten Scheibe folgen. Da Dark Ambient aber vorsichtig ausgedrückt nur sehr bedingt mein Steckenpferd ist, kann ich logischerweise auch recht wenig mit CD 2 anfangen. Für besonders gelungen halte ich die dunkel-wabernden Klänge ehrlich gesagt sowieso nicht - den teilweise vorhandenen Charakter eines Hörspiels in Verbindung mit den verstörenden Texten hätte man ruhig noch weiter ausbauen und auf das wenig überzeugende Klanggewaber verzichten sollen. Das stört mich persönlich allerdings insgesamt weniger, liefern V.F.d.U. mit der ersten Platte doch bereits ein ordentliches BM-Werk ab. Und abgesehen von ein paar Längen und Durchhängern entpuppt sich dieses als amtlicher Geheimtipp für Freunde des intensiv vertonten Wahnsinns.

7 /10

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Temple of Torturous

 

Nachtwall
12.04.2011